Erhard Goller

Die Saison 2008:

Durchdreherei von allen wegen OS

 


2009-03-19














































































































































Cape Epic und die Folgen: Platz zwei und 96

Verunmöglichen, die Schweizer benutzen dieses Wort. Für deutsche Ohren klingt das etwas ungelenk, aber da Stefan die eidgenössische Ausdrucksweisen nicht mehr fremd sind, sei dieser Quasi-Terminus hier benutzt für einen Umstand, den im Grunde der Rennkalender 2008 zu verantworten hat.

Diese zwei Wochen, die zwischen dem Ende der Cape Epic und dem ersten Weltcup in Houffalize lagen, die waren einfach zu wenig. Insofern hat diese Konstellation eine ausreichende Erholung von den Strapazen der Cape Epic bis zum Weltcup verunmöglicht. Nicht nur Stefan und sein Kompagnon Karl haben das in Belgien zu spüren bekommen, vielen hat’s die erste Saisonhälfte tatsächlich verhagelt.

Nachdem die Vorbereitung für Stefan gut gelaufen war, die Zypern-Rennen für die notwendige Rennhärte gesorgt hatten, ging das Bulls-Duo mit Optimismus an die Titelverteidigung.

Auf der ersten Etappe wurde das Leaderjersey um nur 20 Sekunden verpasst. Auf Abschnitt zwei mussten Stefan und Karl ein kleines Desaster erleben. Stefan fühlte sich nicht gut und dann hatte man noch einen Defekt. 23 Minuten Rückstand. Schon da, das stellte sich später raus, war der erste Platz weg. Die Cape Epic, auch das ein Grund für die Verunmöglichung, war deutlich schwerer als 2007. Zwei Tagessiege, der zweite Platz mit neun Minuten Rückstand, versöhnten.

Aber in Houffalize gab es die Quittung. Platz 96 für Stefan, das war 81 Positionen Entfernung zu Platz 15, der für die Olympiaqualifikation von Bedeutung war.

Eine Woche später endeten dann die Träume von Peking im Boden von Offenburg. Ein Sturz, das Aus und drastische Folgen für die kommenden Rennen.


Die Vorbereitung war gut, sehr gut. Der Winter verlief weitgehend reibungslos, auf Zypern sind wir das komplette Programm gefahren. Für die Cape Epic war das gut, Karl und ich hatten echt gute Form. Die erste Etappe in Südafrika hat auch gezeigt, dass wir dabei sind, doch dann schon am nächsten Tag der Nackenschlag. Wir sind in den ersten Berg rein gefahren und ich bin direkt einfach stehen geblieben, quasi verreckt. Zumindest hat es sich so angefühlt. Später ist auch noch ein Laufrad flöten gegangen. Es hat alleine zehn Minuten gedauert bis ich alle Speichen gelöst, neu gespannt und das Rad zentriert hatte.

Am Ende durften wir uns mit zwei Tagessiegen und Platz zwei trösten. Das will ich auch als Erfolg werten. Die Cape Epic ist keine TransAlp oder eine Trans-Germany, da gibt es keine Geschenke. Dafür ist das Ding zu groß geworden. Das war eine wilde Fahrerei, jeden Tag ist ein anderes Team attackieren gegangen. Die siebte Etappe war der schönste Tag mit vielen Singletrails. Da war Waffenstillstand, nachdem de Bertolis und Fredrik plus Südafrikaner vorne raus waren.

Was danach kam, war für mich weniger schön. Wegen Olympia waren alle am Durchdrehen, da meinen alle sie müssten da hin kommen. Ich hab’s letztlich auch gedacht aber im Nachhinein war es ein Fehler, eine Fehleinschätzung. Das Leitungsniveau war einfach nicht da. Platz 96 in Houffalize, das war unter aller..., ihr wisst schon. Da muss man nichts beschönigen. In Offenburg ging es eigentlich besser aber dann habe ich mich ja mit dem Kopf in die Wand gebohrt. Das ging so schnell, dass ich nicht einmal die Hände vom Lenker nehmen konnte. Ich weiß nicht, vielleicht habe ich in der Kompression zu früh eingelenkt, die Gabel war bis zum Anschlag ausgenutzt, der Reifen hat es nicht mehr abgefangen, dann hat es einen riesigen Schlag getan.


Olympia ade: Leiden auf Hansis Bank

Nachdem er verunfallt war- wir bleiben bei den Helvetismen-, wollte der Verunfallte die Folgen nicht wirklich wahrhaben. Er trainierte wenig, ließ sich vom Physio behandeln, flog nach Madrid und wurde 69. Eine Woche später in Andorra, offenbarte ihm Hansi Friedl, Physiotherapeut der Nationalmannschaft, dass die Verletzung ernsthafterer Natur war. Nach der zweiten Runde stieg Stefan aus dem Rennen aus. Danach kam ein Unterbruch. Den Weltcup in Fort William ließ er aus, mit dem Ziel sich auszukurieren. Allerdings dauerte es noch eine Weile ehe er realisierte, dass er dafür professionelle Hilfe benötigte. Hansi Friedl musste es es auf der Massagebank wieder richten, im wahrsten Sinne des Wortes.


In Madrid war mir die Ursache meiner schlechten Verfassung noch gar nicht klar. Als es mir in Andorra schlecht ging, hat sich Hansi das Ganze mal angeschaut und es am Tag vor dem Rennen gelockert. Aber er hat mir auch gesagt, dass das nicht von Dauer sein wird. Das habe ich am Tag darauf gemerkt. In den Singletrails bin ich nur rum gestolpert und nach der zweiten Runde war ich komplett instabil im Kopf, besser in der Muskulatur. Hansi hat mir erklärt, dass durch den Einschlag in Offenburg die Muskulatur, die Bänder, die Sehnen so verkürzt und angespannt waren, dass es die Wirbel steil gestellt hat.

Nach Madrid war Olympia für mich gelaufen, eigentlich schon nach Offenburg. Ursprünglich hatten wir ja die Trans-Germany im Plan aber für Karls Olympiachance haben wir uns entschieden die Weltcups zu fahren. Alleine konnte ich die Trans-Germany ja auch nicht fahren.

Nach Andorra war das bei mir eine Mischung aus Pause machen und gar nicht wahrhaben wollen. Ich hab’ zu früh wieder angefangen und wieder aufhören müssen, weil ich nach vier Stunden Training taube Hände hatte. Irgendwann war die Trans-Alp gefährdet. Da ist die Entscheidung gefallen, ich fahr zu Hansi nach Edling und bleib dort so lange, bis er’s wieder gerade gebogen hat. Das war Ende Juni. Er hat mich dann so richtig auseinander genommen und wieder zusammen gebaut. Fünf Tage lang. Die ersten beiden Tage, ich kann’s euch ehrlich sagen, da hatte ich unter seinen Händen Schmerzen, wie noch nie in meiner Sportlerkarriere, zweimal pro Tag. Parallel dazu gab es ein Aufbautraining im angeschlossenen Fitnessstudio.


Training mit der Brechstange

Nach der Behandlung bei Hansi Friedl absolvierte Stefan ein intensives Trainingsprogramm, das ihn für die Trans-Alp in Form bringen sollte. Zweieinhalb Wochen blieben noch bis zum Start. Er quartierte sich bei Bettina in der Schweiz (daher die Helvetismen) ein. Im Berner Oberland versuchte er mit seiner ganzen Erfahrung und dem Willen mit seinem Teamkollegen Karl bei der Trans-Alp oben aus zu schwingen, am Anschlag. Am Anfang flach und dann in den Bergen, um sich die nötige Kraft zu holen. Der Albstadt Bike-Marathon, eine Woche vor der Trans-Alp, war der Belastungstest, der letztlich ganz gut funktionierte.

So ein Training habe ich noch nie gemacht. Ich bin nach Gefühl gefahren, nicht mehr als vier Tage am Stück aber im Training mit der Brechstange. Einmal bin ich über die große Scheidegg gefahren und war so dermaßen froh, dass da oben ein Kiosk war. Ich komplett leer, musste zweimal anhalten. 1500 Höhenmeter am Stück und ich hatte nichts mehr drauf. Aber es hat gepasst. In Albstadt ging es ganz gut, ich war vorne mit dabei, bis auf die letzte halbe Stunde, da hat es mir den Stecker gezogen. Danach habe ich einfach weiter trainiert.


Die Trans-Alp: Zweifel schnell beseitigt

Für Stefan und Karl ging es gut los. Der Sieg auf der ersten Etappe beseitigte allfällige Zweifel und letztlich siegten sie souverän obwohl sie in Kraler/Verbanjak harte Konkurrenten hatten. Die Beiden setzten sich auf dem ersten Abschnitt ab, doch im Downhill kamen Karl und Stefan wieder heran. Und dann hielt Karl Platt auf der Fläche das Tempo hoch, so dass das gelbe Trikot am Abend den beiden Titelverteidigern übergestreift wurde. Sie gaben es nicht mehr ab.

Die beiden Österreicher hatten einen Einbruch auf der Königsetappe und das Bulls-Duo konnte acht Minuten zwischen sich und die Verfolger bringen.


Ich hatte echt Respekt vor den acht Tagen, weil ich nicht wusste, wie es hinten raus langt, schließlich hatte ich nur die Erfahrung vom Albstadt-Marathon. Das war schon ein komisches Gefühl aber das schöne an den Dingern ist ja, du bist nicht allein.

Dann ging es doch ziemlich gut obwohl am Anfang immer alle noch Kraft haben und mit wollen. Krali und Heinz haben am Berg so Gas gegeben, die waren weg. Aber ich habe nicht an mir gezweifelt, denn- oh Wunder- es lag an Karl, dass wir nicht mitkamen. Am Ende des Tages waren wir alle erleichtert. Karl und Friedemann waren bezüglich meiner Form schon sehr skeptisch. Das haben sie zwar so nicht gesagt, aber ich weiß das.

Ab da ging’s und am Ende waren wir wieder die „Könige der Hobbies“. Es sind immer die ersten drei Tage, da kann man sich richtig auskotzen, weil alle noch können. Am vierten oder fünften Tag fällt die Entscheidung, da zeigt sich, wer mit den Kräften haushalten konnte. Man merkt halt, wenn man ein eingespieltes Team ist, wie Karl und ich und man lernt die anderen Fahrertypen einzuschätzen.


Trans-Schwarzwald: Krampfige Angelegenheit

Zwischen Trans-Alp und Trans-Schwarzwald nahm Stefan den „Inferno-Triathlon“ mit, eine vierteilige Stafette, in der Stefan die 100 Kilometer auf dem Rennrad absolvierte, während Freundin Bettina die 40 Kilometer auf dem Bike hinter sich brachte. Die Trans-Schwarzwald endete ebenfalls mit einem Sieg des Duos Sahm/Platt. Die Konkurrenz war nicht ganz so stark, vielleicht aber brachten die beiden aus der Trans-Alp einfach auch eine Topform mit. 25 Minuten Vorsprung auf Strobel/Kaufmann sprechen eine deutliche Sprache. Viele Regenetappen machten das Unternehmen aber dennoch zu einer krampfigen Angelegenheit.

Schon nach der Trans-Alp richtete Stefan alles auf die Marathon-DM aus. In Bern fuhr er, weil es ein Heimrennen war, belegte Rang 16, nachdem die ungewohnte Intensität nach dem Start Probleme machte. Das Bundesliga-Rennen in Bad Salzdetfurth stand unter einen unglücklichen Stern, war aber auch nur als Zwischenschritt auf dem Weg nach Singen gedacht. Rang acht war es am Ende.


Die Inferno-Stafette war lustig. Besonders lustig war, dass ich wieder über die Große Scheidegg drüber musste. Da wo ich noch Wochen zuvor so kläglich verhungert bin. Den Kiosk habe ich diesmal nicht gebraucht. Die Trans-Schwarzwald war relativ einfach für uns aber schwer war sie auch. Bei der Trans-Alp weißt du, da gibt es zwei Riesenzacken, die musst du hoch. Bei der Trans-Schwarzwald hat es viele kleine Zacken. Außerdem haben die Einzelstarter das Rennen schneller gemacht. Du musst immer vorne mit dabei sein.

Danach hatte ich eine längere Trainingsphase. Bern bin ich nur gefahren, weil es inzwischen ein Heimrennen ist, Bad Salzdetfurth haben wir gemacht, weil wir sowieso auf der IFMA bei der ZEG-Party waren. Das ist am Freitagabend eine große Veranstaltung mit 1000 Leuten, Festprogramm und Essen und so weiter. Dann gab es in Bad Salzdetfurth noch eine ganz spezielle Geschichte. Ich musste nachts umziehen, weil in unserem Quartier zwei junge Katzen gespielt hatten. Ich bin gegen Katzenhaare allergisch und habe gemerkt, dass es mir mit jedem Atemzug enger wurde. Das war natürlich keine gute Vorbereitung aufs Rennen.


Singen

Karl und Stefan lagen sich in den Armen. Der Jubel im Ziel der Deutschen Marathonmeisterschaften glich den Bildern von der Cape Epic 2007. Die beiden Bulls-Biker hatten sich Gold und Silber geholt. Für Stefan war es ein zweites Mal Silber nach 2006 in Oberammergau. Auch wenn er den Titel diesmal nicht im Sprint verpasste, so war die Angelegenheit doch ein Sekundenentscheid. Ein Moment, in dem er Rücksicht genommen hatte auf seinen Freund Karl, der so unbedingt diesen Titel haben wollte und ihn sicher auch verdient hat. Aber diese Situation ist vielleicht typisch für eine Seite in Stefans Charakter, eine die einerseits sympathisch, weil rücksichtsvoll, ist, andererseits aber auf dem Weg zum großen Erfolg auch mal im Weg stehen kann.

Als Karl Platt die Attacke riss, da zögerte Stefan und blieb bei Hannes Genze sitzen. Den Ex-Meister hängte er noch ab und konnte als Erster seinem Teamkollegen gratulieren.

Die tolle Form konnte er beim Weltcup-Finale in Ornans leider nicht nutzen, weil er mit verdorbenem Magen vorzeitig aufgeben musste. Dafür war der dritte Platz nach toller Aufholjagd beim Roc d’Azur-Marathon ein schöner Schluss-Strich unter eine Saison. Insofern man das Point-to-Point-Rennen zwei Tage später aus der Erinnerung streicht, wo Stefan, wie einige andere auch, an der falschen Stelle geradeaus gefahren ist und vom Wettbewerb ausgeschlossen wurde.


Die DM in Singen war emotional eines der schönsten Erlebnisse, die ich bisher hatte. Zweiter zu werden ist eine Sache aber einen Doppelsieg zu feiern, das ist was Besonderes. Sicher, ich habe den Zeitpunkt verpasst seine Attacke mit zu gehen, das ist halt so. Einen Moment lang zu viel Rücksicht genommen. Vielleicht schon von vornherein, weil ich wusste, Karl will da gewinnen. Wenn Karl da weg fährt, fahre ich nicht mit. Aber ich verspreche, ich werde alles dafür tun, dass ich in Garmisch wieder in eine solche Konstellation komme und dann werde ich mit einer anderen Einstellung da rein gehen. Eine Starterlaubnis vom BDR habe ich schon. Ich habe ja jetzt eine Schweizer Lizenz, weil ich inzwischen mit Bettina in Reinach im Aargau wohne. In Ornans habe ich mir leider den Magen verdorben. Aber der Roc Marathon mit Platz drei war ein schöner Erfolg. Bin da neben Weltmeister Paulissen und Europameister Lakata auf dem Podium gestanden. Immerhin. Ich war am Anfang gestürzt, hatte nur drei Gänge zur Verfügung und musste das erst wieder regeln. Mit Hannes zusammen bin ich nach vorne gefahren. Irgendwann habe ich ihn gefragt, wer ist denn noch vor uns, und als er sagte, der Roel, Alban und der Alex Moos, da dachte ich, nee, den müssen wir uns noch holen. Innerhalb von ein paar Minuten haben wir ihn eingeholt. Ziel erreicht, Moos abgehängt. Hannes dann auch noch. Schade, dass ich zwei Tage später gradeaus gefahren bin. Biathlonmäßig, wie Björndalen halt.

Am Ende war die Saison doch eine, auf die ich unter meinen besseren ablegen muss. Natürlich auch weil wir den Soccercup wieder gewonnen haben. In der Schweiz, wo ich jetzt nicht mehr nur Wochenaufenthalter bin.